LEXIKON

Wilber Ken

* 31.1.1949 (Oklahoma, USA), gilt als führender Theoretiker der Transpersonalen Psychologie und als scharfer Kritiker ihrer oberflächlichen Elemente.

Er studierte Biochemie und erwarb autodidaktisch umfassende geisteswissenschaftliche Kenntnisse. Er meditiert viel (Zen, tibetischer Buddhismus u.a.) und hat praktische Erfahrung in moderner Psychotherapie. Sein Denken basiert auf der „philosophia perennis„, dem Erfahrungswissen der Mystiker und Weisen in den Hochreligionen der Welt – Meister Eckardt, Ramana Maharshi, Nagarjuna, Aurobindo u.v.a. – auf der Philosophie Platons, Plotins, Hegels, Schellings und Habermas` und der Theorie und Praxis der modernen Entwicklungspsychologie, Psychotherapie und Naturwissenschaft.

Mit dreiundzwanzig Jahren schrieb Wilber sein erstes Buch, danach erschienen in schneller Folge weitere. Außerdem war er Chefredakteur von „Revision“, einer Zeitschrift, die moderne Denkströmungen, Naturwissenschaftliches und Transpersonales verbindet. Ab 1984 entstand eine lange Schaffenspause. Er pflegte seine krebskranke Frau und schrieb nach ihrem Tod (1989) eine Autobiographie über diese Jahre. 1995 erschien dann sein Hauptwerk „Eros, Kosmos, Logos“, in dem Wilber ein umfassendes Welt- und Menschenbild der Postmoderne vorlegt. 1999 kamen seine gesammelten Werke in acht Bänden heraus. Grundthemen von Wilbers Denken sind die Evolution des Bewusstseins und die Verbindung von Wissenschaft und Religion. Seine große Leistung ist die Integration unterschiedlichster Wissens- und Lebensgebiete zu einem differenziert gegliederten, sinnvollen Ganzen. Diese Integration sucht er auch in der Praxis zu befördern. Zu diesem Zweck gründete er 2000 das Integral Institute in Boulder.

Die Evolution des Bewusstseins beschreibt Wilber in der Individualentwicklung des Menschen, in der Menschheitsentwicklung und schließlich als Gesamtentwicklung von der Materie zum Lebendigen, zum Geist („Große Kette des Seins“). Die menschliche Entwicklung gliedert Wilber in drei große Stufen: a) die präpersonale/prärationale; sie reicht in der Individualentwicklung etwa bis zum sechsten Lebensjahr, in der Menschheitsentwicklung etwa bis 2500 v. Chr., b) die personale/rationale, in der sich das Bewusstsein entfaltet und differenziert und sich eine urteilsfähige, selbstverantwortliche Persönlichkeit bilden kann. c) Darüber hinaus bezeugen Heilige und Weise die Existenz eines überbewussten, transpersonalen Bereichs, der bis zum Einheitsbewusstsein der Mystiker, der Höchstform des Bewusstseins reicht.

Jeder neue Entwicklungsschritt übersteigt und umfasst die Vorhergehenden, die jedoch als notwendige Basis erhalten bleiben. Vor allem ist ein stabiles, rationales, autonomes Ich zu entwickeln, denn ein Bypass vom Magischen oder Mythischen der präpersonalen Stufe zur Spiritualität der Transpersonalen führt leicht zur „transpersonalen Süchtigkeit“. Analoges gilt in der Menschheitsentwicklung: Die vernunftbetonte Aufklärung ist Voraussetzung einer reifen Weiterentwicklung in den transpersonalen Bereich der erlebten und lebbaren Spiritualität. Auf allen Stufen, auch den transpersonalen, kann es zu Entwicklungsstörungen kommen. Bei Diagnose und Therapie sollte man weder alle Störungen auf Frühkindliches reduzieren, noch davon ausgehen, dass Meditation alles heilen kann.

Den unmittelbar erfahrbaren „Innenansichten“ der Bewusstseinsentwicklung fügt Wilber später die beobachtbaren „Außenseiten“ hinzu: eine individuelle Entwicklungsreihe vom Atom bis zum komplexen menschlichen Gehirn und eine kollektive, die von den Horden der Jäger und Sammler bis zu modernen Wirtschafts- und Staatsformen reicht. Alle vier Entwicklungsreihen, Gehirn und individuelles Bewusstsein, Gesellschaftsform und Kultur, sind eng aufeinander bezogen. Die äußeren Entwicklungsreihen sind Gegenstand der Naturwissenschaften, die inneren Gegenstand der Geisteswissenschaften.

Die aufgeklärte Moderne hat viel Positives gebracht: Demokratie, Rechtswesen, Frauenemanzipation etc.; ihr Problem besteht für Wilber darin, dass sie sich einseitig auf Materielles konzentriert, auch in dem, was als wissenschaftlich gilt. Wilber will den individuellen und kollektiven Innenseiten wieder mehr Gewicht verschaffen und unserem Sein Sinn geben, indem wir uns auf dessen Ursprung und Ziel besinnen. Im Inneren Erfahrbares und im Außen Beobachtbares, Geist und Natur, sind zwei Seiten derselben Bewusstseinsentwicklung, die Wilber mit Plotin, Schelling, Aurobindo, de Chardin und anderen als „Werden Gottes“ als „Gott in Aktion“ begreift.

Autor: Edith Zundel

Wesentliche Publikationen

  • Wilber K [1977] (1991) Das Spektrum des Bewusstseins. München, Scherz
  • Wilber K [1979] (1984) Wege zum Selbst. München, Kösel
  • Wilber K [1980] (1990) Das Atman Projekt. Paderborn, Junfermann
  • Wilber K [1981] (1986) Halbzeit der Evolution. München, Scherz
  • Wilber K [1983] (1988) Die drei Augen der Erkenntnis. München, Kösel
  • Wilber K [1991] (1992) Mut und Gnade. München, Scherz
  • Wilber K [1995] (1996) Eros, Kosmos, Logos. Frankfurt/M., Krüger
  • Wilber K [1996] (1997) Eine kurze Geschichte des Kosmos. Frankfurt/M, Fische
  • Wilber K [1997] (1999) Das Wahre, Schöne, Gute. Frankfurt/M., Krüger
  • Wilber K [1998] (1998) Naturwissenschaft und Religion. Frankfurt/M., Krüger
  • Wilber K (1999) Collected Works. 8 Bände. Boston, Shambhala
  • Wilber K [1999] (2001) Einfach Das. Frankfurt/M., Fischer/Krüger
  • Wilber K [1999] (2001) Integrale Psychologie. Freiamt, Arbor
  • Wilber K [2000] (2001) Ganzheitlich Denken. Freiamt, Arbor

Biographisches und Sekundär-Literatur

  • Visser F (2001) Ken Wilber: Denken als Passion. Petersberg, ViaNova
  • Zundel E, Zundel R (1987) Ken Wilber. In: Leitfiguren der Psychotherapie. München, Kösel
  • Zundel E (Hg) (1996; 2001) Wilber, Ken: Vom Tier zu den Göttern. Freiburg, Herder

 

Wesentliche Publikationen

  • Wilber K [1977] (1991) Das Spektrum des Bewusstseins. München, Scherz
  • Wilber K [1979] (1984) Wege zum Selbst. München, Kösel
  • Wilber K [1980] (1990) Das Atman Projekt. Paderborn, Junfermann
  • Wilber K [1981] (1986) Halbzeit der Evolution. München, Scherz
  • Wilber K [1983] (1988) Die drei Augen der Erkenntnis. München, Kösel
  • Wilber K [1991] (1992) Mut und Gnade. München, Scherz
  • Wilber K [1995] (1996) Eros, Kosmos, Logos. Frankfurt/M., Krüger
  • Wilber K [1996] (1997) Eine kurze Geschichte des Kosmos. Frankfurt/M, Fische
  • Wilber K [1997] (1999) Das Wahre, Schöne, Gute. Frankfurt/M., Krüger
  • Wilber K [1998] (1998) Naturwissenschaft und Religion. Frankfurt/M., Krüger
  • Wilber K (1999) Collected Works. 8 Bände. Boston, Shambhala
  • Wilber K [1999] (2001) Einfach Das. Frankfurt/M., Fischer/Krüger
  • Wilber K [1999] (2001) Integrale Psychologie. Freiamt, Arbor
  • Wilber K [2000] (2001) Ganzheitlich Denken. Freiamt, Arbor

Biographisches und Sekundär-Literatur

  • Visser F (2001) Ken Wilber: Denken als Passion. Petersberg, ViaNova
  • Zundel E, Zundel R (1987) Ken Wilber. In: Leitfiguren der Psychotherapie. München, Kösel
  • Zundel E (Hg) (1996; 2001) Wilber, Ken: Vom Tier zu den Göttern. Freiburg, Herder

 

Wilber Ken

* 31.1.1949 (Oklahoma, USA), gilt als führender Theoretiker der Transpersonalen Psychologie und als scharfer Kritiker ihrer oberflächlichen Elemente.

Er studierte Biochemie und erwarb autodidaktisch umfassende geisteswissenschaftliche Kenntnisse. Er meditiert viel (Zen, tibetischer Buddhismus u.a.) und hat praktische Erfahrung in moderner Psychotherapie. Sein Denken basiert auf der „philosophia perennis„, dem Erfahrungswissen der Mystiker und Weisen in den Hochreligionen der Welt – Meister Eckardt, Ramana Maharshi, Nagarjuna, Aurobindo u.v.a. – auf der Philosophie Platons, Plotins, Hegels, Schellings und Habermas` und der Theorie und Praxis der modernen Entwicklungspsychologie, Psychotherapie und Naturwissenschaft.

Mit dreiundzwanzig Jahren schrieb Wilber sein erstes Buch, danach erschienen in schneller Folge weitere. Außerdem war er Chefredakteur von „Revision“, einer Zeitschrift, die moderne Denkströmungen, Naturwissenschaftliches und Transpersonales verbindet. Ab 1984 entstand eine lange Schaffenspause. Er pflegte seine krebskranke Frau und schrieb nach ihrem Tod (1989) eine Autobiographie über diese Jahre. 1995 erschien dann sein Hauptwerk „Eros, Kosmos, Logos“, in dem Wilber ein umfassendes Welt- und Menschenbild der Postmoderne vorlegt. 1999 kamen seine gesammelten Werke in acht Bänden heraus. Grundthemen von Wilbers Denken sind die Evolution des Bewusstseins und die Verbindung von Wissenschaft und Religion. Seine große Leistung ist die Integration unterschiedlichster Wissens- und Lebensgebiete zu einem differenziert gegliederten, sinnvollen Ganzen. Diese Integration sucht er auch in der Praxis zu befördern. Zu diesem Zweck gründete er 2000 das Integral Institute in Boulder.

Die Evolution des Bewusstseins beschreibt Wilber in der Individualentwicklung des Menschen, in der Menschheitsentwicklung und schließlich als Gesamtentwicklung von der Materie zum Lebendigen, zum Geist („Große Kette des Seins“). Die menschliche Entwicklung gliedert Wilber in drei große Stufen: a) die präpersonale/prärationale; sie reicht in der Individualentwicklung etwa bis zum sechsten Lebensjahr, in der Menschheitsentwicklung etwa bis 2500 v. Chr., b) die personale/rationale, in der sich das Bewusstsein entfaltet und differenziert und sich eine urteilsfähige, selbstverantwortliche Persönlichkeit bilden kann. c) Darüber hinaus bezeugen Heilige und Weise die Existenz eines überbewussten, transpersonalen Bereichs, der bis zum Einheitsbewusstsein der Mystiker, der Höchstform des Bewusstseins reicht.

Jeder neue Entwicklungsschritt übersteigt und umfasst die Vorhergehenden, die jedoch als notwendige Basis erhalten bleiben. Vor allem ist ein stabiles, rationales, autonomes Ich zu entwickeln, denn ein Bypass vom Magischen oder Mythischen der präpersonalen Stufe zur Spiritualität der Transpersonalen führt leicht zur „transpersonalen Süchtigkeit“. Analoges gilt in der Menschheitsentwicklung: Die vernunftbetonte Aufklärung ist Voraussetzung einer reifen Weiterentwicklung in den transpersonalen Bereich der erlebten und lebbaren Spiritualität. Auf allen Stufen, auch den transpersonalen, kann es zu Entwicklungsstörungen kommen. Bei Diagnose und Therapie sollte man weder alle Störungen auf Frühkindliches reduzieren, noch davon ausgehen, dass Meditation alles heilen kann.

Den unmittelbar erfahrbaren „Innenansichten“ der Bewusstseinsentwicklung fügt Wilber später die beobachtbaren „Außenseiten“ hinzu: eine individuelle Entwicklungsreihe vom Atom bis zum komplexen menschlichen Gehirn und eine kollektive, die von den Horden der Jäger und Sammler bis zu modernen Wirtschafts- und Staatsformen reicht. Alle vier Entwicklungsreihen, Gehirn und individuelles Bewusstsein, Gesellschaftsform und Kultur, sind eng aufeinander bezogen. Die äußeren Entwicklungsreihen sind Gegenstand der Naturwissenschaften, die inneren Gegenstand der Geisteswissenschaften.

Die aufgeklärte Moderne hat viel Positives gebracht: Demokratie, Rechtswesen, Frauenemanzipation etc.; ihr Problem besteht für Wilber darin, dass sie sich einseitig auf Materielles konzentriert, auch in dem, was als wissenschaftlich gilt. Wilber will den individuellen und kollektiven Innenseiten wieder mehr Gewicht verschaffen und unserem Sein Sinn geben, indem wir uns auf dessen Ursprung und Ziel besinnen. Im Inneren Erfahrbares und im Außen Beobachtbares, Geist und Natur, sind zwei Seiten derselben Bewusstseinsentwicklung, die Wilber mit Plotin, Schelling, Aurobindo, de Chardin und anderen als „Werden Gottes“ als „Gott in Aktion“ begreift.

Autor: Edith Zundel